Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

am 30. Januar 2024, heute vor einem Jahr, hatten sich zwei größere Gruppen von Jugendlichen am Meinerzhagener Skaterpark zu einer Schlägerei verabredet. Im Verlauf der Schlägerei ist ein 16-jähriger Junge, Filipp, unter den Schlägen reglos zusammengebrochen. Er konnte zwar noch ins Krankenhaus gebracht werden, doch letztlich konnte ihm nicht mehr geholfen werden. Er ist eine Woche später für tot erklärt worden.

Das, was auf dem Skaterpark vor einem Jahr geschehen ist, vor allem Filipps Tod, war und ist entsetzlich. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese Schlägerei. Es gibt auch keine Entschuldigung. Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt körperliche Gewalt unter Jugendlichen. Hormone nicht und auch kein Gruppenrausch, kein Geschwafel und auch keine sog. Beleidigung. Konflikte sind unter allen Umständen gewaltfrei zu lösen, ggf. unter Mithilfe anderer.

Wir leben glücklicherweise in einem Rechtsstaat. Und das bedeutet auch: Bevor Täter angeklagt und verurteilt werden können, muss jedem einzelnen von ihnen eindeutig nachgewiesen werden, dass und wie er an der Tat beteiligt gewesen ist. Bloße Gerüchte reichen da nicht aus. Solche Nachweise sind sehr schwierig und brauchen Zeit. Solange niemand rechtskräftig verurteilt ist, gilt für ihn die Unschuldsvermutung, ganz egal, was erzählt wird. Das erfordert von uns allen viel Geduld.

Vor einem Jahr hat eine Mordkommission aus Hagen mit großem Einsatz über viele Wochen professionell ermittelt und Beweise gesichert. Da bisher noch keine Anklage erhoben wurde, gibt es die tollsten Gerüchte, sogar das Gerücht, dass die Ermittlungen eingestellt seien. Der Leiter der Mordkommission hat mir auf meine Nachfrage hin aber versichert: Bei keinem Jugendlichen, bei dem der Verdacht bestand, dass er sich aktiv an der Schlägerei beteiligt hat, sind die Ermittlungen eingestellt worden. Und die Anklage vor Gericht ist in Arbeit; verantwortlich dafür ist die Staatsanwaltschaft. Das dürfe ich euch so sagen.

Seit dem 30. Januar 2024 ist viel in unserer Region passiert und bis heute wird viel erzählt, auch sehr viel Blödsinn, häufig völlig fakten- und kenntnisfrei, insbesondere in den sozialen Medien wie Instagram und Tiktok. So wird z.B. behauptet, schuld an Fillips Tod sei das Mobbing an seiner Schule, der Sekundarschule in Meinerzhagen. Dass dies völlig unsinnig ist, kann man allein schon daran sehen, dass die Jugendlichen, die sich zu der Schlägerei getroffen haben, von drei verschiedenen Schulen gekommen sind: aus der Sekundarschule in Meinerzhagen, dem Gymnasium in Meinerzhagen und leider auch von unserer Schule. Viele der beteiligten Jugendlichen haben mit der Sekundarschule in Meinerzhagen nichts zu tun – wie sollen sie da an Mobbing in der Schule beteiligt gewesen sein?

Statt die Sekundarschule und ihre Schulleiterin zu beschimpfen, sollten wir andere Fragen diskutieren, wie z.B.

– Warum verabreden sich junge Männer zu einer solchen Schlägerei? Welches verquere Bild von Männlichkeit und Ehre steht dahinter? Warum wird brutale Gewalt von ihnen als Mittel der Konfliktlösung angesehen, obwohl wir in den Schulen und in unserer Gesellschaft doch genau das Gegenteil wollen?

– Warum tun die Jugendlichen, die aktiv beteiligt waren, nicht alles, um das schreckliche Geschehen lückenlos aufzuklären? Es ist doch ein Mensch gestorben. Warum sind sogar Beweise, wie z.B. ein Film, vernichtet worden?

– Warum gibt es kein Gesetz, dass große Technikkonzerne wie Apple dazu zwingt, bei der Aufklärung solcher Ereignisse mitzuhelfen und der Polizei einen gelöschten Film zur Verfügung zu stellen?

– Warum darf man in den sozialen Medien alles behaupten, was man will und ggf. selbst erfinden, jeden willkürlich anklagen, ihn bedrohen und verleumden, und dabei anonym bleiben, also ohne dafür dann auch mit seinem richtigen Namen einzustehen und sich dafür ggf. zu rechtfertigen?

– Oder: Was können die Eltern dafür tun, dass so etwas wie auf dem Skaterpark nicht passiert? Was die Schule, was die Mitschüler*innen? Was können wir dafür tun, dass Jugendliche sich gar nicht erst zu einer Schlägerei verabreden?

Das sind die Fragen, die es eigentlich zu besprechen gilt.

Ein Weiteres: An unserer Schule sind auch einige Jugendliche, die mit Filipp befreundet waren oder ihn zumindest gut kannten. Euch hätten wir als Schule gerne noch ganz anders geschützt. Doch das hat uns die oberste Schulaufsicht nicht erlaubt. Das bedauern wir sehr.

Wir sind aber zuversichtlich, dass es bald zu einem Gerichtsverfahren kommt und dieses zumindest zu Gerechtigkeit führt.

Aber kein Prozess dieser Welt wird dafür sorgen können, dass Filipp wieder lebt, dass seine Familie, seine Freunde, seine Mitschüler ihn wieder zurückerhalten.
Wir lenken daher unsere Gedanken nun ganz auf Filipp. Er wurde einfach aus dem Leben gerissen. Er war erst 16 Jahre alt und hatte den größten Teil seines Lebens noch vor sich. Filipp kam aus Kasachstan und lebte erst seit 3 Jahren in Deutschland. Er ist wohl das jüngste von 11 Kindern. Die Familie kam hierhin in der Hoffnung auf ein besseres Leben und erlebte nun dieses Grauen.
Wir denken an seine Eltern, seine Geschwister und seine Freunde. Wir denken daran, wie traurig sie sind, wie sehr sie ihn vermissen und dass sie sicherlich nicht verstehen können, warum er sterben musste. Wir wünschen ihnen alle erdenkliche Kraft, dass sie mit diesem fürchterlichen Verlust weiterleben können.
Bitte erhebt euch nun für eine Schweigeminute, in der wir an Filipp, seine Eltern, Geschwister und Freunde denken. Wer mag, kann dabei auch gerne beten. Wir denken an Philipp und schweigen nun.