Stellungnahme der Schulleitung zu dem Artikel „Klarer Missbrauch des Bildungsauftrags“ in der Meinerzhagener Zeitung vom 28.04.2025
Erziehung zur Demokratie – Kern unseres Bildungsauftrages
Die Einlassungen des FWG-Kandidaten für das Amt des Kiersper Bürgermeisters, nachzulesen in der MZ vom 28.04.2025, beruhen auf populistischen Unterstellungen und verdrehen die Tatsachen. Wir weisen die Einlassungen mit Entschiedenheit als sachlich falsch zurück und verweisen auf die Fakten:
1. Bei dem geplanten Fest „Wir sind Kierspe!“ geht es in der Tat darum, dass sich Kierspe selbst feiert – als eine bunte Stadt der Vielfalt, in der die unterschiedlichsten Menschen mit z.T. recht verschiedenen kulturellen Hintergründen friedlich und gerne miteinander zusammenleben. Es geht von Anfang an um eine durchweg positive Botschaft: „Wir alle sind Kierspe. Diejenigen, deren Familien hier schon seit Jahrhunderten leben, genauso wie diejenigen, die erst in den letzten Jahren oder Jahrzehnten zugewandert sind. Diejenigen, die eher in traditionellen Familienformen leben, genauso wie diejenigen mit diversen Lebensformen. Kierspe ist bunt und das ist gut so!“ – Es geht um ein fröhliches Fest, bei dem wir bei aller Verschiedenheit unsere Gemeinschaft als Kierspe feiern, bei dem wir alle uns selbst feiern. Dies bringt die Überschrift des entsprechenden Artikels in der Printausgabe der MZ leider nicht zum Ausdruck (anders in der Digitalausgabe).
Die überwältigende Hilfs- und Spendenbereitschaft nach dem Großbrand im März hat gezeigt, wie sehr die Kiersper Bevölkerung über alle kulturellen Grenzen hinweg zusammenstehen kann.
2. Das Fest ist als ein Fest der gesamten Zivilgesellschaft Kierspes geplant. Das Organisationsteam hat sich bewusst dafür entschieden, den anstehenden Kommunalwahlkampf außen vorzulassen und daher die politischen Parteien nicht als Parteien einzuladen. Ihre Vertreter*innen und Mitglieder sind aber selbstverständlich als Bürger*innen Kierspes herzlich eingeladen. Alle bekannten Vereine und Institutionen in Kierspe
wurden angesprochen und angeschrieben, sich am Fest zu beteiligen. Die parteipolitische Ausrichtung der Mitglieder spielt dabei überhaupt keine Rolle. Alle Kiersper Bürger*innen und Vereine, die das Motto des Festes – Kierspe ist demokratisch und vielfältig – teilen, sind herzlich eingeladen.
3. Der Schulleiter unserer Schule hat bei dem Vorbereitungstreffen am 09.04. darauf hingewiesen, dass bei der Bundestagswahl mehr als ein Viertel der Wähler*innen in Kierspe eine Partei gewählt hat, die vom Verfassungsschutz in weiten Teilen als rechtsextrem eingeschätzt wird.
Die Schule ist in jeder Hinsicht parteipolitisch neutral und wir wissen gut zu unterscheiden zwischen konservativen bzw. rechten Parteien einerseits und rechtspopulistischen bzw. rechtsextremistischen Parteien andererseits. Auch konservative Politiker*innen sind bei uns jederzeit herzlich willkommen.
Die Gesamtschule Kierspe wurde 1969 im breiten Konsens aller demokratischen Parteien, gerade auch der konservativen Parteien, gegründet.
Entsprechend pflegen wir seit vielen Jahren gute Kontakte zu allen demokratischen Parteien, die auf dem Boden unserer Verfassung stehen: Bei allen Infoveranstaltungen zu Wahlen laden wir stets die Vertreter*innen aller demokratischen Parteien ein, selbstverständlich z.B. auch gerne von der CDU. Wolfgang Bosbach und Dr. Peter Liese, prominenter Europapolitiker der CDU, haben sich z.T. schon mehrfach den Diskussionen mit unseren Schüler*innen gestellt. Ausführliche Gespräche haben wir mit unserem CDU-Landtagsabgeordneten Ralf Schwarzkopf geführt, der wiederum ein Gespräch mit der CDU-Bildungsministerin Frau Feller vermittelt hat. Ähnliches gilt für unsere Kontakte mit Politiker*innen der FDP, der SPD, der Grünen und der hiesigen UWG.
Gordon Dudas ist ehemaliger Schüler unserer Schule und steht ebenso wie der ehemalige Bürgermeister Frank Emde als Pate dafür ein, dass wir eine Schule ohne Rassismus – eine Schule mit Courage sind.
4. Lehrer*innen sind dazu angehalten, sich parteipolitisch neutral und politisch zurückhaltend zu verhalten. Nur in einer Frage sind Lehrer*innen gerade nicht neutral – wenn es um die Grundlagen unseres Zusammenlebens geht, um Demokratie, Grundrechte, Rechtsstaat und das ethische Selbstverständnis unseres Staates vor dem Hintergrund unserer Geschichte. In unserem Amtseid schwören wir, unsere Verfassung zu „verteidigen“. Wir sind „verpflichtet“, uns durch unser „gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten“ (§ 33 Beamtenstatusgesetz). Es gehört geradezu zum innersten Kern des Erziehungs- und Bildungsauftrages der Schule, dass wir unsere Schüler*innen mit den Grundlagen unserer Demokratie vertraut machen, sie zu urteilsfähigen Demokrat*innen erziehen und in ihrer europäischen Identität fördern (vgl. §2 unseres Schulgesetzes). Dies tun wir mit den Mitteln moderner Pädagogik, sodass die Schüler*innen sich an unserer Schule auch immer wieder in praktischer Form in demokratischer Mitbestimmung, im argumentativen Diskurs, in Respekt und Toleranz üben und als wirksam erfahren. Die Andersheit des anderen ist bei uns die Normalität.
Sich für unsere Demokratie einzusetzen, ist keine Frage von links oder rechts, sondern betrifft die elementare Grundlage unseres Zusammenlebens. Wer dies bestreitet, stellt sich gegen unsere Verfassung.
Wir sind stolz darauf, für unsere umfangsreiche Erziehungsarbeit mit dem bundesweiten Preis für Demokratiepädagogik ausgezeichnet worden zu sein. Alle demokratischen Parteien in Kierspe haben uns dazu beglück-wünscht und waren stolz auf ihre Kiersper Gesamtschule.
5. Die Pläne zur sog. „Remigration“, zu der sich die AfD mittlerweile offen bekennt, haben in unserer Schüler*innenschaft seinerzeit vielfach zu erheblichen Ängsten geführt und für Empörung gesorgt. Diese Ängste sind die Ursache und nicht das Resultat unserer schulinternen, handlungspädagogischen Aktion im Januar 2024 gewesen, mit der wir ein eindrucksvoller Zeichen für die Gemeinschaft in der Vielfalt in unserer Schule gesetzt haben: Wir haben unseren Schüler*innen mit jüngerer Migrationsgeschichte gezeigt: „Ihr gehört zu uns. Wir lassen euch nicht allein. Wir stehen zu euch! Wir alle sind die GsKi!“ – Die Invektiven von führenden Politikern der FWG gegen unsere integrationspädagogische Aktion und gegen unsere Schule werden auch durch Wiederholung nicht richtig. Die Gesamtschule ist ein Ort täglich gelebter Integration und bei allen Schwierigkeiten, die wir selbst intern benennen und angehen, auch ein Ort zumeist erfolgreicher Integration. Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg, auf den wir und ganz Kierspe mit Stolz blicken können.
6. „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ Mit diesem Diktum fasst Adorno das Hauptziel jeder Erziehung nach dem Holocaust zusammen. Es formuliert den Konsens moderner Pädagogik, dem auch wir uns verpflichtet fühlen. Wir werden Kurs halten.
7. Die Gründung der Gesamtschule in unserer Stadt erfolgte seinerzeit im Konsens aller im Rat der Stadt vertretenen Parteien (bei einer Mehrheit der CDU). Sie ist eine große Erfolgsgeschichte, die Kierspe auch weit über den Märkischen Kreis hinaus bekannt und attraktiv gemacht hat. Zahlreiche Kiersper*innen haben der Schule viel zu verdanken. Die Gründung der Schule ist ein Beispiel dafür, was eine gute, an der Sache orientierte Zusammenarbeit der demokratischen Parteien (bei aller Verschiedenheit) erfolgreich bewirken kann. Diese sachorientierte Zusammenarbeit, die selbstverständlich auch konstruktive Kritik umfasst, hat die Arbeit des Rates der Stadt Kierspe über Jahrzehnte ausgezeichnet. Kierspe ist damit gut gefahren. Wir würden uns freuen, wenn alle Kiersper Parteien auf diesen Weg zurückfinden würden und sind jederzeit bereit, uns konstruktiver Kritik, gerne auch im persönlichen Gespräch, zu stellen.
Die Schulleitung der Gesamtschule Kierspe, 28.04.2025
Johannes Heintges, Schulleiter – Torben Metzner, Stellvertretender Schulleiter
Alican Sevim, Didaktische Koordination – Astrid Hettesheimer, Abteilung 5/6
Sebastian Bätzing, Abteilung 7/8 – Ina Meißner, Abteilung 9/10
Diana Hibst, Oberstufenleiterin