Nachfolgend ist die Durchsage des Schulleiters Johannes Heintges im Wortlaut eingestellt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler,
ich bitte um Aufmerksamkeit für eine wichtige und auch etwas längere Durchsage.
Seit der Gründung des modernen Staates Israel 1948, also seit nunmehr 75 Jahren, besteht in der Region, in der das Land Israel liegt, im sogenannten Nahen Osten, ein bis heute ungelöster schwerer Konflikt. Bis heute ist es nicht gelungen, eine Lösung dafür zu finden, dass Israelis und Palästinenser gemeinsam oder zumindest in einer Art Koexistenz in einem kleinen Land leben, einem Land, das z.B. viel kleiner als unser Bundesland NRW ist. Der Konflikt hat immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen in der Region geführt, es hat immer wieder Kriege gegeben, in die auch die Nachbarländer wie Ägypten, Jordanien, der Libanon oder Syrien einbezogen waren. Immer wieder musste die Welt den Atem anhalten, da sich die Kriege auf die gesamte Welt auszuweiten drohten. Tausende von Menschen sind bei Terroranschlägen getötet worden, tausende bei Militäreinsätzen ums Leben gekommen, Millionen mussten fliehen und haben ihre Heimat verloren.
Vor gut 2 Wochen hat es einen neuen fürchterlichen Tiefpunkt in der Geschichte des Nahost-Konfliktes gegeben: Die Hamas, eine Terrororganisation, die das Ziel hat, den Staat Israel zu vernichten, hat am 7. Oktober Israel, für die Bevölkerung völlig überraschend, mit über 2000 Raketen angegriffen. Terroristen sind in das Land eingedrungen und haben an vielen Orten wahllos Menschen, Männer, Frauen, Kinder, alte Menschen, sogar Säuglinge, auf z.T. sehr grausame Weise umgebracht, dies sogar gefilmt und über soziale Netzwerke weiterverbreitet. Über 1400 Israelis wurden getötet, 4600 z.T. schwer verletzt. 212 völlig unschuldige Menschen, auch Kinder und Jugendliche, wurden als Geiseln verschleppt. Die Geiseln selbst und ihre Angehörigen zittern seitdem um ihr Leben. – Nichts rechtfertigt dieses abscheuliche Verbrechen der Hamas.
Im Gegenzug beruft sich Israel auf sein Recht auf Selbstverteidigung und hat erklärt, die Terrororganisation der Hamas auf Dauer handlungsunfähig zu machen. Da die Terroristen der Hamas ihre Stützpunkte mitten in die Wohngebiete der palästinensischen Bevölkerung, der Zivilbevölkerung haben verlegt haben, sind 700.000 Palästinenser der Warnung der israelischen Armee gefolgt, haben ihre Häuser verlassen und sind nun auf der Flucht, auch hier unschuldige Frauen und Männer, Kinder, alte Menschen, Jugendliche, zumeist ganze Familien. Die israelischen Luftangriffe haben dazu geführt, dass etwa 1,4 Mio. Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben wurden. Die Versorgungslage im Gaza-Streifen ist katastrophal, es gibt nicht genügend Wasser und nicht genügend Essen. Erst an diesem Wochenende konnten die ersten LKW mit Hilfslieferungen in den Gaza-Streifen fahren. 4700 Palästinenser kamen seit dem 7. Oktober ums Leben, ca. 16.000 wurden verletzt, sicherlich viele unschuldig und ohne Beteiligung an den Terroranschlägen, eine grausame Bilanz – ausgelöst durch den Terror-Anschlag der Hamas und den Versuch der israelischen Armee, die Täter zu töten und die Hamas entscheidend zu schlagen.
Vermutlich ist dies alles nur der Anfang. Israel hat eine Bodenoffensive angekündigt. Es ist unklar, wie sich andere Länder verhalten werden.
Alle demokratischen Parteien in Deutschland haben die Terrortaten der Hamas aufs Schärfste verurteilt und das Recht Israels auf Selbstverteidigung bekräftigt. Unser Bundeskanzler und unsere Außenministerin sind bereits vor Ort gewesen. Zugleich betonen sie, dass die Antwort Israels verhältnismäßig bleiben muss und das Völkerrecht gegenüber den Palästinensern zu beachten ist. Deutschland und die EU unterstützen die unschuldige palästinensische Bevölkerung mit umfangreichen Lieferungen von Lebensmitteln und Hilfsgütern. Unser Land wird von Israelis und Palästinensern gleichermaßen als Vermittler geschätzt.
Seit Jahrzehnten gibt es in unserer Gesellschaft und in unserem Staat einen wichtigen Konsens (Übereinstimmung), den Konsens, dass Deutschland eine besondere Mitverantwortung für die Existenz des Staates Israel besitzt: Unsere Vorfahren haben in der Zeit des Nationalsozialismus mit deutscher Gründlichkeit versucht, alle Menschen jüdischen Glaubens in ganz Europa systematisch auszurotten und über 6 Millionen Juden und Jüdinnen getötet – ein in der Geschichte der Menschheit einzigartiges Verbrechen. Viele der Überlebenden und deren Kinder und Enkel haben u.a. in dem 1948 gegründeten Staat Israel eine neue Heimat gefunden. Wir können das Verbrechen unserer Vorfahren nicht wieder gut machen, aber es als eine Verpflichtung für uns begreifen, wachsam gegenüber jeder Form von Rassismus zu sein, als Verpflichtung, uns in besonderer Weise gegen jede Form von Antisemitismus einzusetzen und für das Existenzrecht Israels einzustehen. Das heißt nicht, dass wir politische Entscheidungen in Israel, wie z.B. die Siedlungspolitik, nicht kritisieren dürften – das tun viele Israelis selbst und dies ist in einer Demokratie auch völlig normal. Aber wenn es um das Existenzrecht Israels selbst geht, sollte es in Deutschland keine zwei Meinungen geben. Auch wir werden in nächster Zeit viel zu diskutieren haben und sicherlich nicht immer einer Meinung sein. Das ist auch gut so. Aber ich gehe davon aus, dass wir in wechselseitigem Respekt miteinander diskutieren und hochemotionale Anfeindungen unterlassen.
Liebe Schüler*innen – der Nahost-Konflikt insgesamt und die derzeitige Situation im Besonderen zeigen, was passiert, wenn wir Menschen unsere Konflikte nicht allein mit friedlichen Mitteln und mit wechselseitigem Respekt, mit der Anerkennung des anderen in seiner Andersheit austragen. Die gegenwärtige Situation in Israel bzw. Palästina, das Leid und die Verzweiflung vieler Palästinenser und Israelis sind so groß, dass auch wir hier einmal in einer Schweigeminute innehalten sollten. Ich bitte euch, aufzustehen – und zu denken an all die Menschen, die Frauen, Kinder, Männer und Jugendlichen, die seit dem 7. Oktober ums Leben gekommen sind, sowie an die Menschen, die entführt wurden und an alle Menschen, die geliebte Menschen für immer verloren haben oder sich große Sorgen um sie machen. Wer mag, kann gerne auch beten. – Ich bitte nun, für eine Weile zu schweigen.
Ich danke euch.

Johannes Heintges